TW: Falls eine Stelle fehlt, die wir hier auch angeben sollen, könnt ihr euch gerne bei uns melden, z. B. per Mail unter acearoundthecake@gmail.com.
03:11 – 04:30 min gesellschaftliche Normen für Beziehungen
34:15 – 35:11 min fehlende Sichtbarkeit queerplatonischer Beziehungen
[Musik]
[Franca (sie/ihr)] (0:02 min) Wenn sich zum Beispiel zwei Leute entscheiden, zusammen zu sein, aber nicht zusammen zu wohnen, dann wird eben gleich die Beziehung hinterfragt.
[Liam (er/ihn)] (0:09 min) Das Wort Ehemann und das Wort Ehefrau fühlen sich passender an, weil eben dieser Fokus vor allem auf diesem Commitment ist.
[Alan (er/ihn)] (0:21 min) Ich finde es eben schön, ein Wort zu haben, was es beschreibt, aber nicht einschränkt.
[Lotta (en/they)] (0:26 min) Das große Problem auch innerhalb der Gesellschaft ist, dass wir keine wirklichen Vorbilder haben, wie alternative Beziehungsmodelle aussehen.
[Musik]
[Franca (sie/ihr)] (0:35 min) Välkomna!
[Alan (er/ihn)] (0:36 min) Chaire!
[Lotta (en/they)] (0:37 min) Shalom le kolam! Und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von ACE AROund the Cake, dem Podcast von und für a* Menschen. Ich bin Lotta, ich habe keinen bevorzugten Pronomen und ich identifiziere mich als asexuell-alloromantisch.
[Franca (sie/ihr)] (0:51 min) Ich bin Franca, meine Pronomen sind sie/ihr und ich bin asexuell und heteroromantisch.
[Alan (er/ihn)] (0:56 min) Ich bin Alan, meine Pronomen sind er/ihm, ich bin asexuell und queer. Außerdem sind wir alle able-bodied und weiß. In diesem Podcast besprechen wir verschiedene a* Themen, von denen wir das Gefühl haben, dass sie in der gesellschaftlichen Debatte häufig zu kurz kommen.
[Musik]
[Lotta (en/they)] (1:13 min) Dies ist die dritte Folge von ACE AROund the Cake und heute beschäftigen wir uns noch ein drittes Mal mit dem Thema Beziehung, und zwar diesmal mit alternativen Beziehungsmodellen. Dafür haben wir auch wieder zwei Gäste eingeladen, nämlich Alan und Liam, die gemeinsam eine queerplatonische Beziehung führen. Doch bevor wir uns das Interview mit den beiden gemeinsam anhören und die, in Anführungszeichen, Praxis dieser Modelle hören, wollen wir uns kurz darüber unterhalten, was man eigentlich unter alternativen Beziehungsformen versteht und wie das so aussehen kann.
[Franca (sie/ihr)] (1:43 min) Ja genau, danke dir, Lotta. Ich habe nämlich heute ein Buch mitgebracht, und zwar heißt das Buch Stepping out of the Relationship Escalator und wurde von Amy Gahran geschrieben im Jahr 2017. Und ja, da wollen wir jetzt mal kurz drüber sprechen. Deshalb wollte ich euch einfach mal fragen, Lotta und Alan, was verbindet ihr denn eigentlich mit dem Begriff Escalator, beziehungsweise auf Deutsch mit dem Begriff Rolltreppe? Was kommt euch da in den Sinn?
[Alan (er/ihn)] (2:06 min) Also Rolltreppen fahren ja automatisch in eine bestimmte Richtung und wenn man mal drauf ist, kommt man auch nicht mehr so leicht zwischendurch runter, bis man das Ende gefahren ist.
[Lotta (en/they)] (2:16 min) Ich glaube, ich muss bei Rolltreppen immer daran denken, dass wir als Kinder gern irgendwie so mit Rolltreppen quasi gespielt haben oder dass es für uns sehr spaßig war, weil es auch etwas Besonderes für uns war. Ich komme vom Land, wo Rolltreppen eher selten sind. Also es gibt keine U-Bahn-Station oder irgendwas in der Richtung, wo man mit einer Rolltreppe runterfahren muss. Das heißt, nur wenn man mal in einem großen Kaufhaus war, gab es die Möglichkeit, dort Rolltreppe zu fahren. Und das war für uns Kinder immer ein besonderes Event. Und wir haben auch immer natürlich versucht, entgegen der Richtung der Rolltreppe zu laufen – entweder runter oder hoch zu rennen – und das ist uns eigentlich nicht wirklich geglückt, weil es ziemlich schwer ist entgegen der Richtung, in die diese Rolltreppe fährt, zu rennen.
[Franca (sie/ihr)] (2:57 min) Das ist super spannend, dass du das ansprichst, weil das auf jeden Fall Aspekte sind, die in dem Konzept aus dem Buch sehr, sehr relevant sind. Nämlich geht es da, wie gesagt, um einen Relationship Escalator, also um eine Art Beziehungsrolltreppe. Nun, was kann man sich darunter vorstellen? Es geht vor allem um Erwartungen, soziale Erwartungen, die an intime Beziehungen gestellt werden, an romantische oder sexuelle Beziehungen. Und zwar ist der Gedanke, dass Partner*innen eine bestimmte Reihenfolge von Schritten folgen, diese gemeinsam gehen und auf diese Weise eben ihre Beziehung leben. Und diese Schritte können zum Beispiel sein, dass man sich entscheidet, zusammenzuleben, dass man sich entscheidet, gemeinsam in den Urlaub zu fahren, dass man ein gemeinsames Konto eröffnet oder auch, dass man heiratet und vielleicht irgendwann Kinder bekommt und dann letztendlich gemeinsam alt wird. Und diese Schritte müssen natürlich auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge gegangen werden, aber das sind alles Beispiele für bestimmte Elemente einer romantischen Beziehung, wie viele Menschen sie eben leben. Und dieses Konzept Escalator zeigt eben auch, wie diese Beziehung gelebt werden kann. Gleichzeitig ist der Escalator auch etwas, was den meisten Menschen beigebracht wurde, wie Beziehungen auszusehen haben. Und interessant ist auch, dass wenn eine oder mehrere dieser Schritte nicht erfüllt sind, dass dann häufig aus gesellschaftlicher Sicht gleich gefragt wird: “Was ist denn bei eurer Beziehung nicht richtig?” Oder: “Das funktioniert ja nicht.” Wenn sich zum Beispiel zwei Leute entscheiden, zusammen zu sein, aber nicht zusammen zu wohnen, dann wird eben gleich die Beziehung hinterfragt und dann ist gleich der Gedanke, oh nein, irgendwie ist da ja was schiefgelaufen. Und das Buch von Amy Gahran heißt ja Stepping Out of the Relationship Escalator. Das heißt, sie möchte mit ihrem Buch Möglichkeiten aufzeigen, wie man eben Beziehungen alternativ leben kann. Und ja, da möchten wir zum Einstieg exemplarisch ein paar Beispiele nennen, die sie auch in ihrem Buch ausführlich beschreibt.
[Alan (er/ihn)] (4:48 min) Ja, ein Aspekt von diesem Relationship Escalator, den man hinterfragen kann, ist das Konzept von Exklusivität in Beziehungen. Dazu will ich jetzt gar nicht zu viel vorwegnehmen, da kommen wir im Interview gleich noch dazu. Aber einfach ein paar Aspekte, die wir aus dem Buch herausgegriffen haben. Das erste ist die konsensuelle Nicht-Monogamie. Das bedeutet im Prinzip, dass Menschen, die in einer Beziehung sind mit einer anderen Person, trotzdem mit gegenseitigem Einverständnis auch verschiedene Arten von Intimität auch außerhalb der Beziehung ausleben. Also dieses “engage intimately with others” ist auch offen für Interpretation. Es muss nicht unbedingt sexuelle oder romantische Intimität sein. Es geht eben darum, dass sie eben mit Einverständnis des Partners auch außerhalb der Beziehung ausgelebt wird, aber die Beziehung selbst immer noch zwischen diesen zwei Personen besteht. Dann gibt es das Konzept von Polyamorie. in dem Menschen im Prinzip mehrere Beziehungen führen oder eine Beziehung, in der mehrere Menschen involviert sind. Es kann sehr komplex werden mit Beziehungen, wer, wie, mit wem, wo involviert ist, aber es sind eben wirklich alles committete Beziehungen. Dazu wird auch das Friend-Lover-Spektrum aufgeführt, Freund*innenschaft, Freund*innenschaft+, Friends with Benefits, sexuelle Freund*innenschaft, romantische Freund*innenschaft und dann am Ende steht eben auch die Frage, wie unterscheiden wir eigentlich eine Freund*innenschaft von einer romantischen Beziehung oder generell den Begriff von Beziehung. Wenn man auch aus diesem Relationship Escalator aussteigt, dann verschwimmen die Grenzen da auch immer zunehmend.
[Lotta (en/they)] (6:19 min) Ich finde gerade das mit dem Grenzen verschwimmen und überhaupt wo liegen, wo sind solche Grenzen, wie können wir irgendeine Art von Anziehung, die wir zu anderen Menschen spüren, überhaupt beschreiben, erinnert mich total an das Split Attraction Model, was man ja sehr oft findet, glaube ich, wenn man über Asexualität oder Aromantik spricht. Aber da das ja auch ein bisschen komplexer ist, erklären wir das vielleicht lieber nochmal in einer extra Folge, aber den Begriff könnt ihr euch auf jeden Fall schon mal merken, denn da kommen wir bestimmt nochmal drauf zurück. Super spannend und auch etwas, was zum Beispiel mir persönlich schon sehr viel gebracht hat in meinem Leben und sehr viel zu verstehen. Der nächste Punkt, den sie auch in ihrem Buch anspricht und den ich euch jetzt ein bisschen näher bringen möchte, ist, was sie Preserving Autonomy nennt. dass man sich eine gewisse Autonomie bewahrt, zum Beispiel durch getrennte Wohnungen. Wir haben ja vorhin schon gehört, wie Franca richtig erzählt hat, dass es für viele selbstverständlich ist, dass man irgendwann zusammenzieht. Und das für viele, denke ich, auch ein sehr wichtiger Schritt der Beziehung ist, dass man eine gemeinsame Wohnung hat, einfach den Tagesablauf sich immer teilt, so 24/7. Man sieht sich morgens, man sieht sich nach der Arbeit, man schläft im gleichen Zimmer, im gleichen Bett vermutlich sogar. Und da ist jetzt dieses Konzept, dass man von vornherein sagt, wir leben in getrennten Wohnungen, natürlich etwas, was dem erstmal so entgegensteht. Also der Begriff, den sie da aufführt, ist auch so “a partner”, also man bezeichnet die andere Person als Partner*in. Man führt irgendeine Form von Beziehung, aber lebt nicht unbedingt zusammen und ich kann mir das sehr gut vorstellen, weil ich, also ich kenne auch Menschen, die einfach für sich gesehen haben, okay, es klappt einfach besser mit unserer Beziehung, für uns ist das besser, wenn wir nicht zusammen leben. Also vielleicht hat man schon mal zusammen gelebt und hat einfach gemerkt, das passt für unsere Beziehung nicht so oder man hat einfach von vornherein gar nicht das Bedürfnis zusammenzuziehen, weil man sagt, so wie wir momentan leben in getrennten Wohnungen passt das super für uns. Und man verbringt eben nicht den ganzen Tag immer miteinander, weil es ja auch anstrengend ist vielleicht, wenn man eine Person die ganze Zeit sieht oder man im Alltag, der ja vielleicht schon stressig genug ist, dann nicht noch mehr Leute um sich herum braucht. Und ich denke halt, dass das etwas ist, auf das die Gesellschaft immer sehr kritisch guckt, weil eben erwartet wird, ja, wenn du die andere Person wirklich liebst, dann möchtest du ja den ganzen Tag mit dieser Person verbringen und kannst dann auch so Alltagssachen, lästige Sachen, vielleicht mit dieser Person teilen. Aber es ist eben nicht für alle Menschen so und das muss man vielleicht immer im Kopf behalten. Ein nächster Punkt wäre etwas, was auch mit den getrennten Wohnungen so ein bisschen einhergeht, sind z.B. permanente Fernbeziehungen. Ich denke, es gibt heute immer mehr Menschen, die eine Fernbeziehung führen, einfach weil man wegen dem Job oft sehr viel flexibler sein muss und das dann auch viel normaler ist. Aber für die meisten ist es doch zumindest wichtig, in der gleichen Stadt oder in der gleichen Wohnung zu wohnen. Und es gibt aber Menschen, die führen Beziehungen über mehrere Kontinente hinweg. Da liegt dann nicht nur irgendwie 200 Kilometer dazwischen, sondern vielleicht sogar 2000, weil man gar nicht unbedingt die Wahl hat. Aber andere Menschen haben durchaus die Wahl und machen es trotzdem, dass sie in getrennten Wohnungen leben oder eine Fernbeziehung führen, einfach weil es für die Menschen jeweils so passt, weil sie vielleicht ihren Teil des Lebens, den sie in einer bestimmten Stadt oder in einem bestimmten Land verbringen, nicht aufgeben wollen für die andere Person. Ja, ich glaube, Franca, du kannst uns dazu vielleicht auch noch ein bisschen was sagen, weil du führst ja auch eine Fernbeziehung, wie wir in der letzten Folge auch schon gehört haben.
[Franca (sie/ihr)] (9:58 min) Ja, genau. Ich möchte da jetzt auch gar nicht zu ausführlich drüber sprechen, weil wir wollen ja eigentlich auch noch später das Interview mit Alan und Liam anhören. Aber ich denke, der Punkt bei einer Fernbeziehung ist immer, man muss sich überlegen, was genau bringt es einem momentan zusammenzuziehen oder auch in die gleiche Stadt zu ziehen. Und in meiner persönlichen Lebenssituation ist für mich einfach gerade nicht vorteilhaft oder nicht ausreichend vorteilhaft, meinen Wohnort jetzt zu wechseln, nur um am gleichen Ort wie mein Partner zu leben, weil ich eben gerade in Frankfurt wohne und da sehr glücklich bin und dort studiere und ja, viele Menschen kenne und auch soziales Engagement mir sehr wichtig ist und ich möchte gerade nicht all diese Aspekte meines Lebens aufgeben, nur um den einen Aspekt, romantische Partnerschaft, so stark zu priorisieren. Also es ist mir wichtig, aber es ist mir eben nicht so wichtig, dass ich alle anderen Aspekte aufgeben möchte. Das heißt nicht, dass es sich in drei, vier, fünf Jahren ändern kann, aber für den Moment finde ich das Modell Fernbeziehung für mich einfach sehr viel passender, als in der gleichen Stadt zu wohnen.
[Lotta (en/they)] (10:56 min) Ja, und ich finde es auch sehr wichtig, dass man das auch wertschätzt und auch als valide ansieht und nicht sagt, okay, du musst für deine Beziehung irgendwie das alles aufgeben; dass die Beziehung nicht unbedingt an erster Stelle stehen muss oder einfach auch gleichrangig sein kann. Es ist ja gar nicht so, dass man eine Hierarchie zwischen den Dingen in seinem Leben auswählen muss und sagen, das und das ist mir wichtiger oder das andere ist weniger wichtig. Kann man auch machen, da spricht überhaupt nichts dagegen. Aber ich denke, dass man auch lernen muss, vor allem das auch als etwas zu sehen, wie man muss nicht unbedingt zusammen wohnen, sondern es ist auf jeden Fall auch wichtig und total okay, wenn man andere Dinge hat, die man vielleicht genauso wertschätzt. Und wie du das gerade eben erklärt hast, das finde ich vollkommen plausibel und kann ich sehr gut nachvollziehen.
[Franca (sie/ihr)] (11:41 min) Ja, und das heißt eben vor allem nicht, dass die Beziehung in irgendeiner Weise kaputt ist oder nicht richtig funktioniert.
[Lotta (en/they)] (11:46 min) Ja, auf jeden Fall.
[Franca (sie/ihr)] (11:47 min) Im Gegenteil, ich glaube, es bringt auch einfach ein Stück weit Autonomie wieder. Und das ist jetzt auch der letzte Punkt, über den wir noch kurz sprechen möchten, nämlich die Frage, inwiefern ist die Beziehung für immer oder nicht? Weil ich denke, das ultimative Kriterium für die allermeisten Beziehungen ist, man kommt zusammen und man einigt sich mehr oder weniger implizit darauf, dass man versucht, für immer zusammen zu bleiben. Also ich denke, die wenigsten Beziehungen werden begonnen mit dem Gedanken, okay, wir machen das jetzt fünf Jahre und in fünf Jahren trennen wir uns dann wieder. Ihr merkt ja, es ist auch irgendwie ein komischer Gedanke für uns, aber gleichzeitig nimmt es ja auch ein Stück weit Autonomie, wenn ich weiß, ich komme mit jemandem zusammen und ich lege mich eigentlich im besten Fall für mein ganzes Leben auf diese Person fest. Und deshalb gibt es eben auch Konzepte wie z.B. Friend-Lover-Fluidity. Also der Gedanke, dass ich eine Freund*inschaft führe, die vielleicht teilweise auch eine romantische Beziehung ist, aber dann vielleicht auch wieder nicht und dass es einfach nicht permanent als romantische Beziehung oder als Freund*inschaft gedacht wird. Genauso gut kann man auch Kurzzeitbeziehungen führen, eben wirklich mit diesem Gedanken, man ist vielleicht nur ein paar Monate oder ein paar Jahre seines Lebens am gleichen Ort oder im gleichen Land und weiß eigentlich auch schon, dass diese Phase enden wird und möchte das aber trotzdem in dem Zeitraum eben so ausleben, wie man sich das wünscht. Dann kann man auch eine Kurzzeitbeziehung führen. Oder eben ähnlich dazu auch eine Art Lebensabschnittsbeziehung. Also, dass man zum Beispiel weiß, man verbringt das Studium zusammen, aber eigentlich hat jede Person danach einen anderen Plan und möchte vielleicht an einen anderen Ort ziehen oder möchte auch, ja, vielleicht dann auch mit anderen Personen interagieren. Und ich denke, es kann ganz viel Druck rausnehmen aus einer Beziehung, wenn man eben nicht von Anfang an sagt, ja gut, eigentlich wollen wir unser ganzes Leben lang zusammenbleiben. Und so hat man diese Sicherheit, dass man diese Autonomie und diese Freiheit hat.
[Lotta (en/they)] (13:34 min) Ich find das total schön und auch total wichtig, dass da dieser Druck dadurch wegfällt. Weil ich kenne auch einige Paare in dem Fall, wo es nicht unbedingt die ganze Zeit so gut läuft in der Beziehung. Und natürlich ist es nicht so, dass man gleich bei jedem Streit irgendwie Schluss machen muss. Aber trotzdem denke ich, dass manche auch nur zusammen sind manchmal, weil man schon so lange zusammen ist oder weil man diesen Druck von der Gesellschaft spürt, dass es doch eigentlich eine Beziehung für immer sein sollte. Und was da halt nicht gesehen wird, ist, dass Menschen sich auch weiterentwickeln und manchmal entwickelt man sich eben auch auseinander und das ist auch vollkommen okay. Ich finde das total wertvoll, dass man da jetzt dieses Modell hat von flexiblen Beziehungen, weil das von vornherein so viel Druck rausnimmt und man dann viel entspannter mit dem Thema Beziehung umgehen kann und dadurch vielleicht auch die Beziehung ja viel besser und viel schöner ist.
[Franca (sie/ihr)] (14:23 min) Ja, absolut. Kann ich mir auch sehr gut vorstellen und kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Bevor wir uns jetzt das Interview anhören, vielleicht noch ein kurzer Kommentar bzw. eine kurze Anmerkung dazu. Sowohl asexuelle als auch aromantische Beziehungen gehören natürlich auch in das Spektrum der alternativen Beziehungsformen, weil eben auch klassischerweise eine Beziehung, wenn wir jetzt nur den Begriff Beziehung verwenden, natürlich auch so gedacht wird, dass sie eben auch sexuelle Handlungen umfasst und romantische Handlungen. Das heißt, genau, jegliche Beziehung, die dies vielleicht nur teilweise oder eben auch gar nicht umfasst, kann natürlich auch in diesem Spektrum gesehen werden. Ja, und jetzt haben wir euch eine etwas längere Einführung gegeben, aber jetzt bin ich sehr gespannt auf Alan und Liam und auf ihren Bericht über ihre queerplatonische Beziehung. [Musik] Ja, hallo Liam, hallo Alan. Wir freuen uns sehr, dass ihr heute in unserem Podcast zu Gast seid. Wir wollen heute über queerplatonische Beziehungen reden und ja, da ihr beide eine queerplatonische Beziehung führt, seid ihr heute sozusagen die perfekten Gäste. Und ja, ich glaube, wir würden einfach mal damit anfangen, dass ihr euch beide mal kurz vorstellt. Genau, Liam, magst du kurz was zu dir sagen?
[Liam (er/ihn)] (15:41 min) Ja, hi, mein Name ist Liam. Ich nutze er/sein Pronomen und ich habe das Bild vom Podcast gemalt.
[Alan (er/ihn)] (15:47 min) Ja, mich kennt ihr ja schon, denke ich. Ich bin Alan.
[Franca (sie/ihr)] (15:50 min) Hallo Alan, schön, dass du heute da bist.
[Lotta (en/they)] (15:53 min) Genau. Ja, und weil wir heute eben über alternative Beziehungsmodelle sprechen und ihr ja gesagt habt, dass ihr eine queerplatonische Beziehung führt, wollten wir einfach auch mal fragen, weil wir, glaube ich, auch ziemlich neugierig sind und beide, Franca und ich, beide nicht so viel über alternative Beziehungsmodelle, besonders queerplatonische Beziehungen wissen, wollten wir euch fragen, was ist denn die queerplatonische Beziehung für euch? Wie würdet ihr die beschreiben?
[Alan (er/ihn)] (16:18 min) Also ich würde es am ehesten so definieren: Es ist eine platonische Beziehung, die aber das Commitment von einer romantischen Beziehung hat. Also grundsätzlich queerplatonische Beziehungen sind alle Beziehungen, die nicht in wirklich die strikten romantischen oder platonischen Kategorien fallen. Aber das wäre jetzt die Definition von unserer Beziehung spezifisch.
[Franca (sie/ihr)] (16:38 min) Und wie hat sich das entwickelt bei euch? Also vielleicht die klassische Frage, wie seid ihr zusammengekommen, beziehungsweise wie habt ihr dann für euch festgelegt, wie eure Beziehung aussehen soll?
[Liam (er/ihn)] (16:48 min) Wir waren schon recht lange befreundet. Und dann habe ich eines Abends, nachdem, oder bevor, Alan mir einen Antrag mit Würfeln, die nicht mal ihm gehört haben, gemacht hat…
[Alan (er/ihn)] (17:00 min) Freunde von uns hatten neue Würfeln in einer richtig schönen Dose, die aussah wie so eine Ringdose. Und, ja.
[Liam (er/ihn)] (17:07 min) Und dann habe ich einfach gesagt: “Unsere Beziehung ist inzwischen queerplatonisch, oder?” Und, äh, ja.
[Alan (er/ihn)] (17:14 min) Ja.
[Liam (er/ihn)] (17:14 min) Es war halb ne Frage, halb ne Aussage.
[Lotta (en/they)] (17:18 min) Wie genau sieht eure Beziehung so aus? Wie lebt ihr eure Beziehung? Welchen Teil in eurem Alltag beispielsweise nimmt diese Beziehung ein?
[Liam (er/ihn)] (17:27 min) Das ist sehr schwer zu sagen. Ich würde sagen fast wie es davor oder mit anderen Freunden auch ist. Wir treffen uns ein wenig öfter und geben einander Geschenke. Der semi-romantische, nenne ich ihn mal Faktor, äußert sich vor allem durch Spitznamen und Händchen halten und manchmal küssen wir uns zum Abschied auf die Wange. Also…
[Alan (er/ihn)] (17:56 min) Ich denke so, von meinem Freund*innenkreis ist Liam schon meistens so die erste Person, der ich irgendwas erzähle oder wenn ich irgendwas habe, was ich gerade einer Person mitteilen will, dann ist Liam schon die erste Person, der ich schreibe oder so.
[Franca (sie/ihr)] (18:11 min) Ja, das ist super spannend, weil ich glaube, das sind viele Aspekte, die Menschen, die eine “standard romantisch-sexuelle Beziehung” führen, vielleicht auch so beschreiben würden. Aber für euch ist das eben super, super schön zu sehen, dass ihr dieses Vertrauen zueinander habt. Was ist mit Sexualität und Romantik? Spielt das in irgendeiner Form eine Rolle oder wie würdet ihr diese Rolle sehen?
[Alan (er/ihn)] (18:34 min) Also wir sind beide asexuell, deswegen also… Von meiner Seite aus spielt Sexualität eigentlich keine große Rolle, weil sie in meinem Leben generell keine große Rolle spielt.
[Liam (er/ihn)] (18:43 min) Ja, same. Für mich spielt romantische Anziehung ein wenig eine Rolle, weil ich mich zu Alan romantisch angezogen fühle, er sich aber zu mir nur platonisch angezogen fühlt und dass ich deswegen oft Angst habe, dass ich ihn mit meinen romantischen Gesten oder Gefühlen überwältigen könnte. Aber wir kommunizieren über unsere Grenzen, deswegen war das bisher eigentlich noch kein Problem.
[Lotta (en/they)] (19:09 min) Ja genau, das ist so ein Punkt, wo ich mich halt auch gerade fragte, du hast es schon angesprochen, dass du quasi Angst hast, dass du Alan mit deinen Gefühlen oder Affekten da irgendwie überwältigen könntest. Welche Herausforderungen ergeben sich denn vielleicht für eure Beziehung aus diesen unterschiedlichen Anziehungen? Wir haben da ja auch mit Franca und Thomas in der letzten Folge darüber gesprochen, dass das eben durchaus eine Herausforderung sein kann, wenn eben nicht jede Person die gleiche Anziehung zu der anderen Person empfindet.
[Liam (er/ihn)] (19:40 min) Also ich bin mit Alan eigentlich nur ein bisschen vorsichtiger, was romantische Gesten und so weiter angeht, als mit Lucy, meiner anderen Freundin, die in Amerika lebt. Und mit der ich auf einer tatsächlich fast pur romantischen, also keine queerplatonische, einfach romantische Beziehung führe.
[Lotta (en/they)] (20:02 min) Sehr interessant, auf jeden Fall, dass da halt auch noch eine dritte Person Teil der Beziehung ist, da sprechen wir gleich auch noch drüber, denke ich.
[Alan (er/ihn)] (20:09 min) Ich denke, Kommunikation ist in allen Beziehungen unfassbar wichtig. Aber in einer queerplatonischen Beziehung besonders, weil es eben nicht diese Standard-Erwartungen gibt. Für die meisten Menschen, wenn sie in einer romantischen Beziehung sind, gibt es einfach so Erwartungen, wie das irgendwie auszusehen hat. Für mich wäre es gut, auch darüber zu reden, was man davon eigentlich will. Aber in einer queerplastischen Beziehung gibt es eben quasi nicht diese Anleitung, diese gesellschaftlichen Erwartungen, wie es auszusehen hat. Das heißt, man muss sich selbst quasi überlegen, was wollen wir davon übernehmen, was wollen wir nicht übernehmen. Und ich meine, wenn man irgendwie Sex und sowas wie Küssen und so rausnimmt, ist eigentlich der Unterschied zwischen einer romantischen und einer platonischen Beziehung eigentlich auch gar nicht mehr so groß, was jetzt so die praktischen Aspekte angeht.
[Franca (sie/ihr)] (20:51 min) Ich finde es super spannend, dass ihr [das] angesprochen habt: die Tatsache, dass eure Beziehung in vielerlei Hinsicht queerplatonisch ist, führt irgendwo dazu, dass ihr sie selber schaffen müsst, dass ihr letztlich nicht irgendwelche Normen übernehmt und hinterfragt, ist diese Norm jetzt passend oder nicht, sondern dass ihr von Anfang an sagt, okay, das soll Teil unserer Beziehung sein und das eben nicht. Aber jetzt würde mich noch mal interessieren, weil du ja eben auch angesprochen hattest, dass Lucy auch Teil eurer Beziehung ist, war das von Anfang an so, dass ihr, ich sag mal, zu dritt gleichzeitig zusammengekommen seid? Oder wie hat sich das entwickelt? Wann ist Lucy dazugekommen?
[Liam (er/ihn)] (21:27 min) Die Geschichte mit Lucy ist ein bisschen kompliziert. Ich war mit jemandem zusammen. Dann ist dieser jemand mit Lucy noch zusammengekommen. Wir waren in einer Dreiecksbeziehung. Dann habe ich mich noch in Lucy verliebt. Und dann hat der Dritte mit uns Schluss gemacht. Das heißt, Lucy und ich waren schon zusammen, bevor Alan und ich auf queerplatonisch gegangen sind. Und Alan wusste von Anfang an, dass ich polyamorös bin.
[Alan (er/ihn)] (21:54 min) Ja, also wir kannten uns schon lange bevor Liam und Lucy zusammengekommen sind, aber wir haben unsere Beziehung erst wirklich als queerplatonisch definiert, nachdem das dann schon so war.
[Franca (sie/ihr)] (22:05 min) Und Alan, welche Beziehung führst du zu Lucy? Also Beziehung nicht im Sinne von romantisch-sexuell, sondern welche Verbindung hast du zu Lucy?
[Alan (er/ihn)] (22:12 min) Also tatsächlich nicht so viel Verbindung, wie ich eigentlich gerne hätte, hauptsächlich wegen der Distanz, weil ich bin echt nicht gut darin, online Beziehungen oder Freundschaften aufrechtzuerhalten. Ich brauche irgendwie den persönlichen Kontakt, sonst geht das bei mir sehr schnell verloren oder in den Hintergrund. Was ich sehr schade finde, weil ich habe schon mit Lucy gesprochen öfter mal, halt über Videocalls und so. Ich finde sie eigentlich sehr, sehr cool und ich hoffe wirklich, dass wir uns eines Tages persönlich sehen können. Also ich wäre echt gerne mit ihr wirklich mehr befreundet, aber ich finde es online einfach sehr, sehr schwierig.
[Lotta (en/they)] (22:43 min) Aber wie empfindet ihr dann so die Dynamiken bei euch in der Beziehung? Ist das auch gleichwertig? Ich meine, ihr habt ja jetzt auch sehr unterschiedliche Teile in der Beziehung, dass ihr eben, ihr zwei, Liam und Alan, ihr könnt euch sehen und mit dir und Lucy ist das dann eine Fernbeziehung. Macht das irgendwas mit der Beziehung? Ich weiß nicht, weil ich glaube, das ist etwas, was viele Menschen, die jetzt den Podcast hören, und sich mit dieser Art von Beziehung noch nicht so auskennen oder selbst nicht erlebt haben, sich nicht so richtig vorstellen können, wie das genau funktioniert.
[Liam (er/ihn)] (23:17 min) Es ist tatsächlich vor allem schwierig, dass… Ich möchte auch gerne, dass die beiden befreundet sind, dass sich Lucy und Alan anfreunden. Und ich muss momentan immer so ein bisschen Get-Along-Boyfriend spielen. Und es ist auch schwieriger, Lucy meine Liebe zu zeigen. Es ist einfacher, Alan meine Liebe zu zeigen, wenn man da auf die fünf Love Languages…
[Franca (sie/ihr)] (23:43 min) …Sprachen der Liebe…
[Liam (er/ihn)] (23:45 min) … Sprachen der Liebe, zurückführt. Ich kann Lucy schlecht handgemachte Geschenke geben, weil sie in einem anderen Land wohnt.
[Alan (er/ihn)] (23:54 min) Versandkosten.
[Liam (er/ihn)] (23:55 min) Mit Zoll, Versand. Und ich kann sie nicht berühren, ich kann, ich kann ihr nicht einfach Suppe machen, wenn sie krank ist, um Hilfsbereitschaft zu zeigen. Und Quality Time, also gut Zeit miteinander verbringen, ist in mein Zimmer eingesperrt. Ich habe meinen Laptop mit Lucy drauf, sozusagen, in meinem Zimmer. Ich kann nicht auf einen Spaziergang gehen, ich kann nicht mit ihr Stoff kaufen gehen oder irgendwas in der Art. Worte der Liebe sind nicht wirklich eingeschränkt. Es ist fast sogar besser, weil ich ihr schreiben kann, wann ich möchte. Kann ich Alan natürlich auch. Aber bei uns ist alle Kommunikation über dieses Schriftliche fast. Und deswegen ist es genauso gut, wenn nicht fast besser.
[Lotta (en/they)] (24:41 min) Habt ihr euch schon mal getroffen, wenn ich das fragen darf? Ihr habt euch übers Internet kennengelernt, nehme ich an?
[Liam (er/ihn)] (24:48 min) Ja, über eben diesen gemeinsamen Freund. Und wir haben uns noch nicht getroffen. Sie hatte sehr lange keinen Pass. Und meine Eltern sind der Meinung, ich bin nicht mental stabil genug, um nach Amerika zu gehen. Deswegen… Aber wir haben’s vor.
[Lotta (en/they)] (25:04 min) Okay, ja.
[Franca (sie/ihr)] (25:05 min) Ja, vielleicht kurz als Hinweis für euch, diese fünf Sprachen der Liebe, die eben angesprochen wurden. Das ist ein Konzept von einem Psychologen, dessen Namen ich jetzt vergessen habe, aber das können wir gerne noch nachliefern [Gary Chapman; Anm. der Transkription, vgl. Show Notes]. Es gibt auch ein Buch dazu und ich finde, das ist ein super hilfreicher Weg, um ja, innerhalb einer Beziehung zu verstehen, welche Art von Commitment ist die Art, die einem besonders wichtig ist oder die einem besonders gut tut. Und da gibt es einfach verschiedene Arten, die Liebe zu der anderen Person oder zu den anderen Personen auszudrücken. Und ja genau, diese fünf verschiedenen Sprachen helfen das so ein bisschen zu clustern und helfen einem vielleicht auch bewusst zu machen, dass man selber vielleicht eher der Mensch ist, der gerne, wie du zum Beispiel jetzt gesagt hast, auch Geschenke gibt oder vorbereitet in irgendeiner Form, aber eine andere Person vielleicht mit Geschenken gar nicht so viel anzufangen weiß, dafür aber mit Berührung viel mehr anzufangen weiß.
[Alan (er/ihn)] (25:57 min) Es gibt das vielleicht am ehesten unter Quality Time. Also wir sind beide autistisch und es gibt dieses Konzept von Parallel Play, das heißt man befindet sich zum Beispiel im selben Raum, aber macht quasi beide sein eigenes Ding. Und das ist auch noch so eine Art halt eben Affection zu zeigen und es ist auch sehr wichtig, wenn man einfach das weiß und darüber spricht.
[Liam (er/ihn)] (26:18 min) Und das ist eben auch schwierig, weil, ob ich jetzt mit Alan in einem Raum sitze, fühlt sich sehr viel anders an, als wenn ich mit einem Laptop in einem Raum sitze, der theoretisch Lucy drauf hat, aber wenn keiner von uns spricht, ist es, als sei sie nicht da.
[Lotta (en/they)] (26:34 min) Und das ist halt doch was anderes, weil man diese physische Anwesenheit der Person dann nicht spüren kann, glaube ich.
[Franca (sie/ihr)] (26:40 min) Ja, absolut. Ja, wir haben jetzt auch so ein bisschen schon über die Nachteile gesprochen, vor allem, dass Lucy nicht da ist. Aber vielleicht könnt ihr auch nochmal die Vorteile von der Art, wie ihr eure Beziehungen führt, aufzeigen. Also welchen Vorteil zum Beispiel seht ihr in der Tatsache, dass ihr eine asexuelle Beziehung führt oder auch, dass ihr eine nicht-monogame Beziehung führt?
[Alan (er/ihn)] (27:00 min) Also ich finde vor allem den Aspekt von der nicht-monogamen Beziehung sehr angenehm, weil wenn ich mich so an die Beziehung von meinen ehemaligen Klassenkameradinnen oder so erinnere, kam es mir doch immer sehr stressig vor, wie dann: “Oh, mein Freund hat mit einem anderen Mädchen gesprochen, oh, mein Freund hat einem anderen Mädchen ein Herz-Emoji geschickt.” Also, ich glaube, so eine Art von Beziehung wäre mir viel zu anstrengend. Und ich find’s einfach angenehm, dass ich wissen kann, okay, wenn ich mich jetzt in eine andere Person verliebe oder einfach mit einer anderen Person eine queerplatonische Beziehung führen wollen würde, dann könnte ich das machen, wenn ich eben darüber kommuniziere mit Liam. Und wenn Liam sich jetzt in eine andere Person verliebt oder so, dann kann er auch mit der Person eine Beziehung führen, ohne eben mich dafür verlassen zu müssen. Also wir sind nie in der Position, dass man sich zwischen zwei Personen entscheiden muss. Oder auch nie, dass man sich für seine Anziehung zu einer anderen Person schlecht fühlen muss. Ich kann auch zu Liam gehen und sagen, “hey, ich find die und die Person voll attraktiv und cool” und es kommt dann keine große Eifersucht auf oder “Oh, wie kannst du nur…”
[Liam (er/ihn)] (28:03 min) Meine Reaktion ist meistens: “Same.” Und es ist auch eine ganz spezielle Art der Freude, wenn man sieht, wie sein Partner mit einer anderen Person in die mensch interessiert ist, interagiert oder wenn man hört, wie eben der Partner über eine andere Partner*in redet und schwärmt. Dieses Mitfühlen ist eine ganz besondere Art der Freude, die monogame Beziehungen eben nicht haben.
[Alan (er/ihn)] (28:33 min) Ich denke, meine Gefühle für Lucy sind so Second-Hand-Affection. Ich mag Liam, Liam mag Lucy, deswegen mag ich Lucy.
[Lotta (en/they)] (28:40 min) Das ist ein sehr interessanter Begriff und ein sehr interessantes Konzept, aber ich glaube, das trifft es tatsächlich ganz gut. Ihr habt ja gesagt, dass ein Vorteil eurer Beziehung ist, dass es eben keine Eifersucht gibt und ich glaube, genau das ist der Punkt, den sich viele Menschen in einer monogamen Beziehung nicht vorstellen können, dass es eben keine Eifersucht gibt, wenn es mehr als zwei Leute sind. Weil sonst, denke ich, hat man oft das Gefühl, sobald eine dritte Person mit dabei ist oder so, muss doch eine der Personen immer automatisch eifersüchtig sein auf die andere Person, weil man plötzlich mehr mit der gemacht hat oder sie ein Geschenk bekommen hat und die andere Person in dem Moment dann nicht. Und dass man das Gefühl hat, dass wirklich alle Personen gleich berechtigt und einen gleichen Anteil an dieser Beziehung haben, das ist etwas, was für viele Menschen, glaube ich, sehr schwer zu verstehen ist. Aber wie genau schafft ihr das? Wie genau schafft man das?
[Liam (er/ihn)] (29:34 min) Ich war ja selbst mal die Person, die nur mit einer Person in einer Dreiecksbeziehung zusammen war. Und der damalige Freund und Lucy waren damals beide eine Stunde voneinander entfernt und konnten sich deswegen tatsächlich sehen. Und zu wissen, dass die beiden gerade miteinander Zeit verbringen und ich nicht dabei sein kann, hat sich gleichzeitig gut und schlecht angefühlt. Weil ich eben wusste, dass sie Spaß zusammen haben. Aber andererseits hieß das auch, dass die beiden nicht online waren. Und dass ich nicht da sein konnte. Und das war natürlich traurig. Ich glaube, das ist einfacher, wenn keine Fernbeziehung involviert ist. Aber auch mit der Fernbeziehung, wenn ich zum Beispiel an einem Tag viel Zeit mit Alan verbringe, versuche ich am nächsten Tag mehr Zeit mit Lucy zu verbringen, damit ihr euch beide gleich wert fühlt.
[Alan (er/ihn)] (30:34 min) Also ich denke, wenn jetzt zum Beispiel Liam irgendwie mal mehr Zeit mit Lucy verbringt, womit ich auch kein Problem habe, dann ist es nicht unbedingt Eifersucht. Es ist manchmal so, ach schade, ich würde auch grad gerne Zeit mit Liam verbringen, aber es ist nicht wirklich Eifersucht. Ich weiß ja, dass Lucy mir Liam nicht wegnehmen wird und dass ich einfach am nächsten Tag mit ihm Zeit verbringen kann. Und es ist eigentlich wie immer, wenn man irgendwas gerne machen würde, aber gerade aus irgendeinem Grund nicht machen kann. Man muss halt damit leben. Und es ist auch kein Weltuntergang.
[Liam (er/ihn)] (31:00 min) Das ist aber auch ein Vorteil von zwei Partnern. Wenn ich mal mit jemandem romantisch Zeit verbringen möchte oder eben auf diese sehr intime Art mit jemandem Zeit verbringen möchte und Lucy schläft, Alan ist da.
[Franca (sie/ihr)] (31:14 min) Ich finde das super interessant, dass du sagst, Lucy würde dir Liam nicht wegnehmen. Weil das ist nämlich genau der Aspekt, den man ja eigentlich in Freund*innschaften absolut normal findet. Eine Person kann mit mehreren Menschen befreundet sein, niemand würde auf die Idee kommen, dass man sich das gegenseitig wegnimmt. Und sobald man aber als Gesellschaft dem Ganzen das Label Beziehung gibt, ist auf einmal die Gefahr von, oh nein, mein Partner verbringt Zeit mit einer anderen Person, vielleicht nimmt mir diese andere Person meinen Partner weg, oder meine Partnerin. Das ist super schön, dass es eben bei euch nicht so ist. Ich würde noch einmal kurz auf die Frage zurückkommen, wem ihr denn eigentlich von eurer Beziehung erzählt oder wie sichtbar eure Beziehung für andere Menschen ist. Wem erzählt ihr davon und warum?
[Liam (er/ihn)] (31:59 min) Unglaublich sichtbar. Ich höre nicht auf, über meine Frau und meinen Mann zu reden, weil ich sie das auch so nenne. Wir sind nicht verheiratet. Ich bin minderjährig. Aber das Wort Ehemann und das Wort Ehefrau fühlen sich passender an, weil eben dieser Fokus vor allem auf diesem Commitment ist, das oft in einer Ehe besteht. Und wenn ich dann Leuten erzähle, oh, das sind meine zwei Ehepartner, dann gibt es erstmal einen Haufen hochgezogene Augenbrauen.
[Lotta (en/they)] (32:35 min) Das kann ich mir gut vorstellen.
[Alan (er/ihn)] (32:37 min) Also ich finde auch zum Beispiel Begriffe wie Boyfriend passen für mich einfach nicht, weil es eben diesen romantischen Aspekt hat, den ich eben in meiner Beziehung mit Liam nicht habe. Während Husband oder halt Ehemann eher diesen Commitment-Aspekt hat, den ich einfach sehr viel angenehmer finde. Aber ja, ich habe auch schon Fragen bekommen auf Aussagen wie “This is my Husband, and this is my husband’s wife“.
[Lotta (en/they)] (33:00 min) Ich glaube, dass es für viele Menschen etwas sehr Neues ist und sie erstmal gar nicht wissen, wie sie damit so richtig umgehen sollen. Aber gibt es da noch irgendwelche Begriffe oder Labels aus dem a* Spektrum, die ihr dafür verwendet oder hilfreich findet? Oder findet ihr das eher, hilft es euch eher nicht, eure Beziehung zu beschreiben, weil sie einfach etwas ganz anderes ist vielleicht, was ihr auf dem Spektrum gar nicht so wiederfindet.
[Liam (er/ihn)] (33:25 min) Also ich glaube, das Label Queerplatonisch kommt ja aus der Richtung. Auch, ich mag das Wort Metamour sehr gerne. Das ist die Bezeichnung für den Partner eines Partners. Und das war ein sehr hilfreiches Wort, vor allem als Lucy noch mein Metamour war.
[Alan (er/ihn)] (33:45 min) Ich denke auch Queerplatonisch ist ein sehr gutes Wort, weil es sehr offen ist, eben ein Überbegriff für alle Beziehungen, die sich nicht wirklich in feste Kategorien einteilen. Natürlich werden auch nicht alle Personen, die so eine Beziehung führen, sie als queerplatonisch definieren wollen. Das ist auch jedem selbst überlassen. Aber ich finde es eben schön, ein Wort zu haben, was es beschreibt, aber nicht einschränkt.
[Franca (sie/ihr)] (34:04 min) Wie ist denn die Sichtbarkeit von dieser Art von Beziehung, die ihr führt oder von queerplatonischen Beziehungen allgemein? Erstmal vielleicht generell in den Medien und dann aber auch speziell in der queeren Community?
[Alan (er/ihn)] (34:15 min) Also in der queeren Community noch ganz okay. in der Gesellschaft generell fast nicht existent, was sehr, sehr schade ist.
[Liam (er/ihn)] (34:23 min) Ich habe das Wort auf TikTok gelernt, das ist nicht gut.
[Lotta (en/they)] (34:28 min) Ich meine, für mich war auch heute, glaube ich, sehr viel Neues da dabei und auch deswegen habe ich mich auch so darauf gefreut, dass wir die Möglichkeit hatten, mit euch zu sprechen, weil eben die queerplatonischen Beziehungen auch eine Art von Beziehungen sind, glaube ich, die kaum Sichtbarkeit haben. Ich würde sagen, dass ich mich auch schon recht viel mit queeren Labels und vor allem mit dem a* Spektrum gerne natürlich auch beschäftige. Und trotzdem ist es auch etwas, worunter ich mir noch nicht viel vorstellen konnte und ich sonst auch niemanden in meinem Bekannt*innenkreis hatte, die eine derartige Beziehung führen. Und ich glaube, das zeigt auch schon ganz gut, einfach nur aus meiner Perspektive natürlich, dass zumindest ich von der Gesellschaft da nicht viel Diversität sehe.
[Franca (sie/ihr)] (35:12 min) Ja, absolut. Aber gleichzeitig sieht man ja auch, dass die vielen Aspekte, die ihr angesprochen habt, die eure Beziehung auszeichnen, nicht nur für Menschen, die queerplatonische Beziehungen führen, spannend sind, sondern allgemein uns sehr, sehr viel über Beziehungen oder über menschliche Verbindungen, um das vielleicht mal anders zu bezeichnen, sagen und dass wir da auch sehr, sehr viel davon lernen können, wie ihr eure Beziehung führt und welche Prioritäten ihr setzt. Insofern freue ich mich sehr, dass ihr heute bei uns wart und dass ihr da so offen drüber gesprochen habt. Gibt es denn von eurer Seite noch etwas, was ihr weitergeben wollt oder was ihr unseren Zuhörer*innen wissen lassen wollt?
[Liam (er/ihn)] (35:46 min) Kommuniziert mit euren Partnern! Bitte!
[Alan (er/ihn)] (35:50 min) Ich denke, das ist tatsächlich so das Wichtigste. Also, ob jemand eine Beziehung hat, für die es irgendwie gesellschaftliche Vorbilder und Erwartungen gibt oder nicht. Im Prinzip, auch wenn es wirklich in einer romantischen Beziehung feste Erwartungen gibt, trotzdem natürlich drüber reden: Wollen wir diese Erwartungen eigentlich erfüllen? Warum machen wir das gerade? Weil es erwartet wird oder weil wir es wirklich wollen?
[Lotta (en/they)] (36:12 min) Ja, superschön. Vielen Dank euch beiden, dass ihr hier wart und uns so viele Fragen beantwortet habt. Ich glaube, wir haben sehr viel mitgenommen, sehr viel gelernt. Danke euch. [Musik] Ich fand es super spannend, mit euch über eure queerplatonische Beziehung zu sprechen. Ich denke vor allem zwei Punkte, die ich vielleicht besonders interessant fand oder auch auf mich so anwenden kann, ist das mit der WG, was ihr erzählt habt, auch so ein bisschen wie ihr euch eure Zukunft vorstellt, einfach so dieses Zusammenleben. Das ist etwas, was ich mir auch sehr gut für mich vorstellen kann, glaube ich, dass ich mir auch nicht wirklich vorstellen kann, so eine monogame, exklusive Beziehung zu führen, die dann so festgelegt sein soll auf irgendwie zwei Menschen, die für immer und ewig zusammen sind. Das wäre mir auch irgendwie viel zu viel Druck, sondern dass man einfach so zusammenlebt, wie es sich gut anfühlt. Und das ist auch so mit dem verbunden, was ich noch mitgenommen habe, denke ich. Genau das finde ich so schön bei euch, dass ihr irgendwie Vorstellungen habt, wie eure Beziehung aussehen soll, aber halt auch gleichzeitig sagt, wir lassen das ein Stück weit offen und schauen, was einfach auf uns zukommt. Weil ich glaube, das große Problem auch innerhalb der Gesellschaft ist, dass wir keine wirklichen Vorbilder haben, die alternative Beziehungsmodelle aussehen. Und deswegen muss man so seine eigene Beziehung entwickeln, einfach schauen, was gut für einen passt. Und ich denke, dass ihr da auch ein gutes Vorbild sein könnt eben. Und das finde ich sehr schön. Danke euch dafür. Franca, was hast du denn aus dem Gespräch mitgenommen?
[Franca (sie/ihr)] (37:46 min) Ja, ich fand’s auch sehr, sehr spannend und mir gehen auch gerade sehr, sehr viele Gedanken im Kopf herum. Aber ich glaube so das, wo ich gerade am meisten drüber nachdenke, ist die Sache, wie sinnvoll eigentlich diese Kategorien Freund*innenschaft und Beziehung ist, wenn man versucht, verschiedene Formen von Beziehung zu beschreiben. Und ob es nicht viel sinnvoller wäre, sich einfach nur auf das Attraction-Modell zu beziehen und wenn ich jetzt zum Beispiel, Lotta, wenn ich jetzt meine Verbindung, sag ich mal, zu dir definiere, dass ich einfach sage, diese und diese Anziehung empfinde ich zu dir und diesen Grad an Commitment habe ich gerade Kapazität oder möchte ich der Verbindung geben, die wir haben und die Beziehung, sag ich mal, die wir führen, eben nicht in die Kategorien romantisch, platonisch, sexuell, wie auch immer einordne, sondern einfach anhand dieser beiden eben erwähnten, ja, Koordinaten, Stränge, wie auch immer, genau definiere. Das fände ich eigentlich ganz schön.
[Lotta (en/they)] (38:39 min) Ich glaube, das ist ein sehr schöner Ansatz. Liam, was hast du mitgenommen?
[Liam (er/ihn)] (38:44 min) Ein ähnliches Fazit wie du. Ich finde, dass die Worte und das Wissen, die alternative Beziehungen einem geben und die auch das Nachdenken über solche Arten Beziehungen einem gibt, kann auch hilfreich sein für Leute, die in einer traditionelleren Beziehung sind und dass es vielleicht helfen kann, den gesamten Beziehungsmarkt ein bisschen weniger toxisch zu gestalten.
[Franca (sie/ihr)] (39:15 min) Ja, absolut.
[Alan (er/ihn)] (39:16 min) Ich denke, dafür braucht es auch auf jeden Fall mehr Repräsentation. Ich meine, wie Lotta schon gesagt hat, es gibt kaum Vorbilder für nicht-traditionelle Beziehungen. Und das ist eben, denke ich, so unfassbar wichtig, vor allem vielleicht auch Vorbilder in den Medien. Wenn ich so an queerplatonische Beziehungen in den Medien denke, es gibt fast nie was, dass queerplatonische Beziehungen beim Namen genannt werden. Es gibt immer mal wieder Charaktere, die eine Beziehung haben, die so ähnlich ist, die einfach eine sehr enge Freundschaft haben oder so, die man als queerplatonisch interpretieren könnte. Aber auch das endet dann meistens entweder darin, dass die beiden zusammenkommen oder dass eine der Personen mit einer anderen Person zusammenkommt und die Beziehung dann wieder irgendwie zerbricht oder zumindest weniger wird. Und das ist sehr schade. Und poly* Beziehungen entweder irgendwie in einer sehr dysfunktionalen, offenen Beziehung, oder eben, ja, dass eine Person den Partner einfach betrügt, also hinter dem Rücken des Partners noch eine andere Beziehung führt, aber nie wirklich irgendwie poly* Beziehungen, in denen alle glücklich sind, in denen alle Bescheid wissen, kommunizieren, das ist grundsätzlich sehr, sehr selten, das ist sehr schade, weil eben dafür Menschen die vielleicht gerne in so einer Beziehung wären, eben die Vorbilder fehlen. Dass manche Menschen einfach gar nicht wissen, dass sie gerne in dieser Art von Beziehung sein wollen, weil sie noch nie davon gehört haben. Und deswegen ist mehr Präsentationen einfach unfassbar wichtig.
[Liam (er/ihn)] (40:37 min) Es ist auch fast eher im Gegenteil, dass ein Mensch muss sich zwischen zwei Menschen entscheiden, ein sehr starker Trope in einem Haufen Geschichten ist.
[Lotta (en/they)] (40:48 min) Ja. Ich denke, da gibt es noch viel zu tun für die Zukunft.
[Alan (er/ihn)] (40:53 min) Und jetzt am Ende haben wir, wie immer, ein Piece of Cake für euch. Und heute passend zum Thema ist es ein Zeitungsartikel mit dem Titel New York Judge Rules in Favor of Polyamorous Relationship. Es geht um ein Gerichtsurteil aus New York, in dem eine poly* Beziehung zwischen drei Männern als “a non-traditional family” eingestuft wurde. In dem konkreten Fall ging es um einen Mietvertrag, bzw. die Verlängerung eines Mietvertrags nach dem Tod eines Partners. Und dieser Fall kann dann eben hoffentlich auch in der Zukunft als Präzedenz für weitere Fälle herangezogen werden. Und es ist natürlich kein Riesending, was alles verändert, aber es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt eben, dass Veränderung zum Positiven auch wirklich möglich ist. Und dass wir hoffentlich in der Zukunft weitere ähnliche Urteile sehen.
[Franca (sie/ihr)] (41:43 min) Ja, auf jeden Fall. Ich finde, das ist auf jeden Fall etwas, was Hoffnung geben kann. Und wir werden den Artikel auf jeden Fall auch in den Show Notes verlinken, sodass ihr euch den anschauen könnt. Und ganz zum Abschluss wollen wir euch noch kurz verraten, worüber wir als nächstes sprechen werden. Heute ist ja auch schon viel das Thema Repräsentation von queerplatonischen Beziehungen angeklungen und deshalb wollen wir nächstes Mal über die Repräsentation von Asexualität und Aromantik und auch von Queersein allgemein in den Medien sprechen und haben uns dazu natürlich auch wieder ein paar Gäst*innen eingeladen. Das werdet ihr dann sehen. Wir freuen uns schon sehr. Ich bedanke mich bei euch und dann alles Gute für euch.
[Lotta (en/they)] (42:22 min) Bis bald!
[Musik]